Gaggia Classic 9480 – PID und Vollausbau

Vorbemerkungen

  • Ich habe in meiner Gaggia den Taster zum Anschalten durch einen klassischen Kippschalter gewechselt, da mich der Taster genervt hat (https://www.shadesofcoffee.co.uk/post-2018—gaggia-classic-pro-gaggia-classic-2019/gaggia-classic-2019—ri9480—power-switch-mod). Hierdurch unterscheidet sich der Anschluss des Netzteils von einer Standardmaschine (siehe für eine Lösung hierfür den Baubericht zur Gaggia Classic 9403. 
  • Ich habe den Umbau in zwei Schritten gemacht, erst PID-only und dann Vollausbau. Das würde ich auch jedem so empfehlen, allerdings kann man sich das Leben wesentlich einfacher machen, wenn man mit dem Gedanken spielt in der Zukunft den Vollausbau zu machen: Wenn man den Boiler löst, direkt die beiden grauen Kabel am Ventil mittels einer Verlängerung (so lang machen, dass man damit bis zum zukünftigen Ort des SSR-Boards für Pumpe und Ventil kommt) so legen, dass man später ohne Probleme an die Kabel kommt.
  • Macht viele Fotos während des Umbaus, das kann später helfen 😉
  • Ich habe die Litzendrähte verdrillt, ob das EMV-technisch notwendig ist, keine Ahnung, aber es macht die Kabelführung und Identifizierung der Kabel leichter.
  • Plant die Kabel lang genug, damit man sie sauber verlegen kann

Teil 1: PID-Ausbau

Nachdem der Trockenaufbau und das Testen der Software erfolgreich waren, geht es los:

5V-Netzteil anschließen

Wie oben beschrieben habe ich meinen An-/Austaster durch einen Kippschalter ersetzt, aus den folgenden Gründen: Der Timer ist automatisch deaktiviert hierdurch (kann man auch mittels machen, indem man zwei Kabel am Brühschalter überbrückt, siehe https://coffeeforums.co.uk/topic/49601-gaggia-classic-2018-pro-eu-timer-disable/); mich hat der Taster an sich von der Handhabung genervt; man könnte eine WIFI-Steckdose benutzen und zuletzt macht es das Anschließen des Netzteils für das Arduino-Board leichter.

Die Außenleitung (blaue Kabel) habe ich vom An-/Ausschalter geholt. Auf dem Foto ist das Kabel mit dem roten Stecker eine Verbindung (Teil des Kippschalter-Mods), die direkt zum Netzstecker geht. An der Steckverbindung darüber habe ich eine Flachsteckverbindung mit Abzweigung befestigt und das blaue Kabel der Maschine angesteckt. Den Neutral- (braun) und den PE-Leiter (grün-gelb) kann man sich direkt vom Netzstecker holen: Hierfür ebenfalls jeweils eine Steckhülse mit Abzweigung befestigen und die Originalkabel wieder anstecken. Nun habt hier die drei Kabel für das 5V-Netzteil vorbereitet.
Diese Kabel können an das Netzteil angeschlossen werden, wie auch die beiden Litzendrähte, die zum Arduinoboard gehen sollen. Ich habe vor dem Einbau mit einem Spannungsmessgerät sichergestellt, dass das Netzteil 5V ausgibt (kann man über die Plastikschraube einstellen), aber das sollte eigentlich nicht notwendig sein, da es ziemlich genau gepasst hat. Wenn alle Kabel angebracht sind und man sich über die Kabelführung (vor allem der 230V-Kabel) Gedanken gemacht hat, kann man das Netzteil anbringen. Ich habe es hinter dem Wassertrichter angebracht, wobei das Netzteil ebenfalls auf dem Boden steht. Hier habe ich wärmeleitendes doppelseitiges Klebeband verwendet. Vor dem Ankleben sicherstellen, dass der Trichter noch problemlos reinpasst!

Befestigen des Temperatursensors und Kabel für das SSR vorbereiten

Der Boiler der 9480 hat zwei Thermostaten, das Dampfthermostat sitzt oben drauf und das Brühthermostat sitzt auf der linken Seite. An das zweite Thermostat müssen wir dran um den TSIC zu befestigen und um die Kabel für das SSR anzuschließen:
Hier kommt man nicht daran vorbei den Kessel zumindest teilweise auszubauen. 

Ich habe die meisten Kabel, die oben befestigt sind hierfür entfernt, die Dampflanze abgeschraubt, die vier Schrauben von der Unterseite entfernt und den Kessel vorsichtig(!) rausgedreht. Hierfür habe ich die Maschine auf die Seite gelegt.

Unbedingt darauf achten, dass ihr keine Schlauchverbindungen abreist oder beschädigt!

Auf dem Foto sieht man sehr deutlich das Thermostat, sowie die beiden angesteckten Kabel. Das schwarze und das weiße Kabel können gelöst werden und jetzt schon so verlegt werden, dass man sie später erreichen kann. Das Thermostat kann mit einem Schraubenschlüssel entfernt werden. In dem nun offenen Gewinde habe ich den Temperatursensor mittels ein paar Tropfen Wärmeleitklebers und einer M4-Schraube mit Unterlegscheiben befestigt. Beim Sensor auf die richtigen Anschlüsse achten. Ich habe die Verbindungen gelötet und dann mit Schrumpfschlauch umhüllt.
Hier kann man jetzt, wenn man überlegt in der Zukunft eventuell den Vollausbau zu machen, das graue (doppelte) Kabel des Ventils mittels einer langen Verlängerung so verlegen, dass man in der Zukunft gut drankommt (Fotos, siehe den entsprechenden Abschnitt des Vollausbaus)


Nun darf der Kessel wieder eingebaut werden, einfach die Schritte von oben rückwärts durchführen.

SSR anschließen und befestigen

Ich habe das SSR auf der linken Seite mit wärmeleitendem Klebeband festgeklebt, wo es nicht im Weg ist, aber auch nicht sonderlich leicht zu erreichen wäre, falls ich in der Zukunft nochmal etwas verändern müsste.
Die beiden Kabel, die vorher am Thermostaten angeschlossen waren, können wir jetzt beide mit Steckverbindungen so verlängern, dass sie ohne Probleme bis zum Platz des SSR reichen. Am SSR die beiden Signalkabel zum Arduino auf der einen Seite und die eben verbundenen Verlängerungen der beiden anderen Kabel an der anderen Seite befestigen (große Kabel -> große Klemmen und kleine Kabel -> kleine Klemmen). Bei den Signalkabeln auf die richtige Anschlussrichtung achten.

Display vorbereiten

Aktuell hängt bei mir das Display hinten raus und wird mit Kreppband festgehalten. In der Zukunft soll dafür ein Gehäuse gedruckt werden, würde bei Erfolg noch Bilder und eventuell eine Datei zur Verfügung stellen.
Die Kabel für das Display kann man durch das Lüftungsgitter führen (ich habe sie noch mit einem Schrumpfschlauch versehen)

Arduino-Board einkleben

Ich empfehle alle Drähte anzuschließen bevor man das Board einklebt, da das sonst eine unglaubliche Friemelarbeit ist. Um zu verstehen was wo angeschlossen werden muss, empfehle ich den Schaltplan der Rancilio Silvia anzugucken. Man sollte sich hier auf jeden Fall Gedanken machen, wie man später nochmal daran etwas anpassen kann. Vor allem für den Vollausbau könnte man hier zumindest schlecht erreichbare Klemmpunkte (in meinem Fall die Signalkabel, die zum Brühschalter gehen) schon mit langen Litzendrähten anschließen, isolieren und in der Maschine verstecken.
Wenn alle Kabel sicher angeschlossen sind und sicher halten, kann man sich Gedanken machen über die genaue Platzierung, auch hier ist der Wassertrichter das größte Problem. Ich habe das Board mit den Klebefüßen rechts an die Wand geklebt. Auch hier: testet lieber mehrfach, bevor ihr die Füße wieder entfernen dürft.

Aufräumen

Jetzt sollte alles angeschlossen und befestigt sein. Am besten macht man sich schon während des Einbaus ausreichend Gedanken dazu wie die Kabel verlaufen sollen. Wer gute Laune hat spendiert hier noch ein paar Kabelbinder (am besten sind natürlich die, die man ohne Zerstörung wieder öffnen kann)

Deckel drauf und ausprobieren

Beim Deckel die PE-Leiter nicht vergessen! Wenn alles gut geklappt hat, kann man jetzt alles zumachen, den Strom anschließen und hoffen, dass man alles richtig gemacht hat.

"Meine"-PID-Werte

1:1 entnommen aus dem Umbaubericht zur Gaggia 9303

Meine Routine

Da ich meistens einen Flat-White trinke, kommt hier Espresso + Milchschäumen vor. Meine Mühle ist die Baratza Sette 270.

Vorbereitung

Ich lasse die Maschine eigentlich immer mindestens 15 Minuten aufwärmen, mit eingespanntem Siebträger und den Tassen auf dem Tassenblech. Nach den 15 Minuten fährt die Maschine die 94°C perfekt.

Espresso

Mühle ausmahlen, Bohnen abwiegen und in die Mühle füllen, Siebträger mit einem Lappen auswischen, Bohnen mahlen, verteilen und Tampen. Vor dem Bezug spüle ich nicht oder nur ganz kurz, da hier eigentlich kein Platz ist für Wasser, dass die falsche Temperatur hat. Dies würde außerdem dazu führen, dass der Boiler erst wieder aufheizen muss. (deswegen spüle ich auch möglichst schnell nach dem Bezug sauber, damit die Maschine genug Zeit hat um wieder auf Temperatur zu kommen) Einspannen des Siebträgers, Tasse auf einer Waage drunter und los geht’s. Am besten stellt man hier die Mühle erstmal ein (z.B. so, dass der Bezug 30s braucht, bis das gewünschte Getränkeverhältnis erreicht ist) und verstellt dann ein paar Mal die Temperatur. Das hat mir am Anfang echt die Augen geöffnet, was hier 1 bis 2 K Unterschied ausmachen können!

Milchschaum

Hier hat sich in der Maschine nichts verändert, außer, dass man jetzt die Temperatur beobachten kann. Hierdurch kann man rechtzeitig mit dem Schäumen anfangen, ohne dass die Maschine aufhört zu heizen. Ich starte das Ausblasen der Dampflanze bei ca. 125°C (hier kann man auch mit experimentieren) (ich blase relativ lange aus, damit es beim Schäumen nicht so „spuckt“). Direkt nach dem Ausblasen starte ich das Schäumen. Die Power dieser kleinen Maschine ist sehr beeindruckend und die Milch ist schneller warm, als bei einer ECM-Mechanika.
Nach dem Schäumen die Dampfheizung ausmachen und wenn man einen Espresso machen will, den Boiler runterkühlen indem man einen Leerbezug macht. Die Kunst ist es hier zur richtigen Zeit aufzuhören, damit die Temperatur danach nicht zu niedrig ist. Der Maschine hier auf jeden Fall genug Zeit geben wieder aufzuheizen, da sie auf Präzision und nicht auf Schnelligkeit getrimmt ist. Alternativ kann man auch erst beide Espressi machen und dann zweimal schäumen.

Ergebnis

Nicht so schlecht für einen Flat White mit Hafermilch 😉 (DM-Barista Hafer-Soja-Milch)

Teil 2: Vollausbau

Für den Vollausbau wird ein weiteres SSR mit 2 Kanälen benötigt, das die Steuerung der Pumpe und des Ventils übernimmt. Für zwei weitere SSRs wie für die Heizung ist  in der Gaggia eigentlich kein Platz.

Brühschalter neu verkabeln

Da der Arduino die Steuerung des Brühens übernehmen soll, kann man als erstes alle Kabel vom Brühschalter entfernen. Das doppelte türkisene und das Kabel darunter kann man entfernen, abkleben und zur Seite tun (wenn man den Taster nicht durch einen Schalter ersetzt hat, kann man diese beiden Kabel überbrücken, um den Auto-Shut-Off-Timer zu deaktivieren, hier sicherstellen, dass keine Kontakte offen rumhängen). Ich habe vom Dampfschalter ebenfalls das türkise Kabel abgeklemmt, da dies ebenfalls nur für den Timer ist. Nachdem man diese beiden Kabel versteckt hat, kann man sich dem grauen und dem Braunen Kabel widmen. Das Braune Kabel liegt auf Spannung und wurde im Originalzustand dazu verwendet Spannung auf die Pumpe und auf das Ventil zu geben. Diese Kabel so legen, dass man sie später neu verkabeln kann. Der Brühschalter hat nun alle vier Kontakte frei. Auf einer Seite des Schalters, schließt man jetzt zwei Litzendrähte an, die zum Arduino gehen (am besten viel zu lang machen, da sie einmal um die gesamte Maschine gehen müssen)
Am einfachsten verbindet man die Litzendrähte mit den Steckverbindungen. Diese sind eigentlich für wesentlich dickere Kabel gedacht, aber mit etwas ausprobieren und ein paar fehlgeschlagenen Versuchen bekommt man auch damit eine gute und stabile Verbindung hin.

Kabel vom Ventil ändern

Das graue Kabel, was vorher am Brühschalter befestigt war, geht zum Ventil und von dort zur Pumpe. Da diese aber separat gesteuert werden sollen, muss man das Kabel vom Ventil auswechseln:
Hier muss man leider, wenn man es nicht schon beim PID-Ausbau vorbereitet hat, den Boiler erneut ausbauen. Das doppelte graue Kabel vom Ventil kann man entfernen und so verlegen, dass man es wiederfindet, wenn der Boiler wieder eingebaut ist. An der Stelle, wo das graue Kabel war, befestigt man nun ein neues Kabel (hier schwarz), das später zum SSR geht.

Nun kann der Kessel wieder eingebaut werden.

Falls man dies während des PID-Ausbaus vorbereiten will, empfehle ich folgendes: das neue Kabel so lang machen, dass es später bis zum Ort der SSR reicht + x, (bei mir über dem Netzteil). Danach bringt man am anderen Ende des Kabels eine Steckverbindung an, die man mit dem doppelten grauen Kabel verbindet (auf eine gute Isolierung achten!), um den Ausgangszustand wiederherzustellen.

Kabel neu verkabeln

Nun hat man vier Kabelenden: das braune und das graue Kabel ehemals vom Brühschalter, das doppelte graue Kabel ehemals vom Ventil und das neue schwarze Kabel vom Ventil. Das einfache und das doppelte graue Kabel ist dasselbe Kabel und hier kann man sich für eine Steckverbindung entscheiden und die andere abkleben und verstecken. An alle drei verbleibenden Kabel wird eine Verlängerung mittels Steckverbindung angeschlossen. Die Verlängerung des braunen Kabels muss nochmal verzweigt werden, da es beim SSR zweimal benötigt wird (ich habe hier eine Steckverbindung mit Abzweigung + je eine normale Steckverbindung benutzt und das Ganze mit Schrumpfschlauch isoliert, da sonst Kontakte blank wären).

 

Arduino verkabeln

Beim Arduino gibt es folgende neue Verbindungen:

    1. Kabel zum Brühschalter an A0 und 3V3
    2. Pin 12 Ground und Signal zum SSR
    3. Pin 13 Signal und VCC zum SSR

Hier kann man auch nochmal den Schaltplan von der Rancilio Silvia anschauen, der sehr ähnlich wie bei der Gaggia ist.

SSR anschließen und einbauen

Die Kabel vom Arduino auf der einen Seite des SSR anschließen und die vier Kabel, die neu verlegt wurden auf der anderen. Hierbei darauf achten, dass jeweils einmal eine Verlängerung des braunen Kabels pro Kanal angeschlossen wird. Pin 12 soll hiernach das Ventil steuern und Pin 13 die Pumpe.
Wenn alles angeschlossen ist, kann man das SSR einbauen. Ich habe es über dem Netzteil befestigt, auch wenn hier nicht sonderlich viel Platz ist, hat es bei mit ganz gut gepasst (das schiefe Einkleben war halbabsichtlich :D).

Aufräumen

Hiernach bliebt wie beim PID-Ausbau noch das aufräumen der Kabel. Auch hier kann ich Kabelbinder sehr empfehlen. Vor allem sollte man die Kabel, die im Weg des Trichters sein könnten an die Seite verbannen.

Neue Software drauf und los geht’s

Jetzt noch die neue Software (man muss ONLYPID auf 0 setzen und BREWDETECTION auf 2) auf den Arduino drauf und los geht das Experimentieren.

Wer übrigens den integrierten automatischen Backflush aktivieren möchte, muss in der Blynk App einen Schalter hinzufügen, der als Output den „V40“ von 0 auf 1 schaltet.

Bei Fragen / Disclaimer

Bei Fragen zum Baubericht oder beim Wunsch nach mehr Fotos, gerne an mich im ranilio-chat wenden (ben_coe)